An meinem Blogeintrag vom Jänner anknüpfend hier ein paar Gedanken zu den Grundbedürfnissen des Pferdes.
Jean-Claude Dysli, ein großer Horseman und wunderbarer
Trainer, sagte in seinem Video:
„Viele Pferde werden heute gehalten wie Schwerverbrecher. Sie
verbringen den Großteil des Tages hinter Gitter, in Boxen. Wenn sie Glück
haben, kommen sie für 1-2 Stunden in den Gefängnishof. Oder der Besitzer kommt
vorbei, um das Pferd zu reiten.“
Ich stimme ihm zu. Es ist traurig, sich das vor Augen zu
führen, wenn man sich über die Grundbedürfnisse des Pferdes informiert.
Zum Thema Equiden finden sich folgende Beschreibungen im
Netz:
Das Sozialverhalten
ist unterschiedlich. Obwohl sich manchmal Tiere zu Verbänden zusammenfinden,
gibt es bei diesen Arten keine dauerhaften Beziehungen zwischen erwachsenen
Tieren. Bei anderen Arten (wie Przewalski-Pferd, Berg-, Steppenzebra und
verwilderten Hauspferden wie z. B. Mustangs) begleiten ein Hengst,
manchmal mehrere Hengste, überwachend und treibend eine Gruppe (von 3 bis
maximal 35 Tieren) mit etablierter Rangordnung…..
Die Kommunikation mit
Artgenossen erfolgt mittels Gesten, etwa die Haltung der Ohren, des Kiefers
oder des Schweifes, aber auch durch Laute. Weiterhin ist nachgewiesen worden,
dass Pferde über den Geruch von Kot Informationen über andere Individuen
erhalten…..Pferde haben eine Reihe natürlicher Feinde, dazu zählen in erster Linie große Raubtiere wie Hyänen, Wölfe, Wildhunde und Großkatzen. Sie sind wie viele Huftiere „Fluchttiere“. Der Körperbau der Pferde ist auf schnelles und ausdauerndes Laufen ausgelegt, daher flüchten sie bei Bedrohung. Wenn sie in die Enge getrieben werden, können Pferde auch mit den Hufen treten oder Angreifern schmerzhafte Bisswunden zufügen. Ihre wirkungsvollste Waffe sind die stark bemuskelten Hinterbeine…….
Ich möchte an dieser Stelle allen Lesern den Film „Cloud,
der wilde Mustang“ von der renommierten Dokumentarfilmerin Ginger Kathrens ans
Herz legen – hier ein kleiner Einblick:
Man wird entführt in die Welt der (Wild)Pferde, wie sie
leben, wie sie fühlen, was sie brauchen……
Kurz zur Geschichte in Europa: unter den Haustieren gibt es verschiedene Arten, die schon seit
Jahrtausenden zu Arbeits- und Transportzwecken genutzt werden. Dazu zählt in
Mitteleuropa neben dem Rind vor allem das Pferd. Seine Haltung begann mit einem
deutlichen zeitlichen Abstand zu den klassischen Nutztieren Rind, Schwein,
Schaf und Ziege. Rinder waren wie die anderen Haustierarten zunächst
Fleischlieferanten, erst später verrichteten sie in der Landwirtschaft
Zugarbeit vor Pflug und Wagen. Beim Pferd dagegen stand bereits zu Beginn
seiner Haltung die Nutzung seiner Muskelkraft im Vordergrund. Sein Einsatz als
schnelles Zug- und Reittier revolutionierte den prähistorischen Personen- und
Warenverkehr und führte auch im Kriegswesen zu entscheidenden Veränderungen.
Quelle: Karlheinz
Steppan (Archäologie online)
Als kleines Mädchen war ich öfter zu Besuch bei meinem
Großvater (1899-1985). Er war Landwirt und leidenschaftlicher Pferdehalter.
Schon als 12-jähriger Junge arbeitete er mit Pferden im Winter an der Kutsche.
Besorgte Eis vom gefrorenen, nahegelegenen Fluss für die Brauerei (für
Kühlzwecke), wohlgemerkt marschierte damals mein junger Großvater neben den
Pferden, die Kutsche selber war ja beladen. Um 07:oo Uhr begann damals sein
Arbeitstag, gegen Abend, bevor es dunkel wurde, endete der Tag.
Ich zitiere aus seinen Erzählungen: „Unsere Pferde waren
Nutztiere, sie waren unsere Arbeitskräfte. Meist haben die Pferde an 6 Tagen
die Woche einen Vollzeitjob ausgeführt, im Sommer am Feld, im Winter bei der
Holzarbeit. An den Sonn- und Feiertagen hab ich sie dann oft herausgeputzt für
Kutschenfahrten an kirchlichen Festtagen, bei Firmungen, bei Priesterweihen….
ich war immer stolz auf meine Pferde, sie waren mein Kapital. Ich habe mich
immer gerne selber um die Pferde gekümmert, auch wenn es schon Pferdeknechte am
Hof gab. Es war mir immer wichtig, dass die Pferde gesund sind, einen guten
Tierarzt für Pferde musste man sich leisten können. So war es meine Pflicht, sie
bestmöglich zu pflegen und gesund zu erhalten. Ich habe viel Zeit mit den
Pferden verbracht. Gefüttert hab ich ´mit dem Auge` und manchmal hab ich selber
Fohlen aus besonders guten Stuten gezogen. Einmal hatte ich ein Pferd, das im
Krieg gedient hatte, auf meinem Hof. Es hat wohl so einiges erlebt in den
Kriegsjahren ….. ich kann mich noch gut erinnern, dass es sich bei Jagden, wenn
geschossen wurde, oder wenn es gedonnert hat, vor dem Pflug gespannt hingelegt
hatte und nicht mehr aufstand. Es ging in Deckung! Ich konnte diesem Pferd noch
so oft erklären, dass der Krieg vorbei war – es hat alles nichts genutzt. “ mit
einem Lächeln im Gesicht hat er liebend gern von diesem einen Pferd erzählt.Das letzte Pferd am Hof meines Großvaters 1969 |
Mein Großvater mit einer imposanten Stute, herausgeputzt für eine Kutschfahrt zur Firmung |
Nach diesem kurzen Ausflug in die Geschichte des Pferdes als Nutztier, schauen wir uns mal um, was in heutiger Zeit in diverser Literatur oder in Videos über die Pferde als Freizeitpartner steht.
Kommen wir zu den Grundbedürfnissen des Pferdes:
Kurz gefasst sind Pferde:
Dauerfresser, Lauftiere, Frischluftfanatiker, sie brauchen Sozialkontakte mit
Artgenossen….
- Fressen: Pferde
sind Pflanzenfresser, die sich in freier Wildbahn von Gras, Grassamen, Laub,
Zweigen etc. ernähren würden. Also viel Rohfaser, eher wenig „Kraftfutter“ und wenig
Nährstoffe. Dieses Futter wird über den ganzen Tag verteilt aufgenommen, Pferde
bewegen sich langsam und stetig vorwärts bei der Nahrungsaufnahme – das ist
übrigens auch auf kleinen Weideflächen zu beobachten. In der freien Natur würde
die Herde langsam weiter ziehen und so ca. 20 km / Tag zurücklegen allein für
die Nahrungssuche.
Wie sieht das nun bei unseren domestizierten Pferdefreunden
aus? Können wir dem Pferd dieses Grundbedürfnis annähernd gewähren? Sind
ausreichend große, weitläufige, Weiden vorhanden? Können wir den Pferden
Bewegungsanreiz bieten? Ist Wasser in bester Qualität vorhanden?
Übrigens: Zu Zeiten meines Großvaters als Arbeitstier konnte
das Pferd am Wegrand vom Gras zupfen, während es z.B. auf die Beladung der
Kutsche gewartet hat. Es bekam immer Wasser aus einem extra Eimer und abends
Grünschnitt oder Heu und Kraftfutter in Form von Hafer.
Es ist bewiesen, dass fehlerhafte Fütterung/Haltung im
Freizeit-/Hobbybereich zu Mangel- oder Überschusserscheinungen bzw. verhaltensauffälligen
Krankheiten führen kann, sowohl
psychisch (Koppen, Weben, Missmut, Bissigkeit, Introvertiertheit…) als auch
physisch (Magenprobleme, kolikähnliche Anzeichen, Durchfall, Verspannungen…..).
Oftmals werden (manchmal durch falsch verstandene Tierliebe oder
„Vermenschlichung“) Pferde in heutiger Haltung mit heutiger Leistung
überfüttert bzw. ist der Nährstoffbedarf nicht gut angepasst.
- Bewegung:
Pferde sind es ursprünglich gewöhnt, sich täglich über lange Strecken im
Schritt zu bewegen, um Nahrung aufzunehmen. Bewegungsställe oder Offenställe
mit mehreren Fressstationen, Bewegungsanreiz durch „Trails“ mit verschiedenem
Futterangebot, sind hier sehr gut. Aber auch Rückzugsmöglichkeiten und
Unterstände bei widrigen Witterungsbedingungen sind wichtig. Ich bin aber auch der Meinung, dass manche Pferde in
bestimmten Situationen nicht immer mit Offenställen / Bewegungsställen klar
kommen. Ältere Pferde, kranke oder auch sehr rangniedrige Pferde usw. können in
Offenställen nicht unbedingt gut aufgehoben sein. Hier muss man beobachten und
abwägen.
- Sozialkontakte:
Pferde sind sehr soziale, verspielte, neugierige Tiere. Setzt euch mal einen
halben Tag auf die Weide und beobachtet eure Pferde. Ein „Pferdetag“ läuft
immer ähnlich ab, sie lieben konstante Tagesabläufe und stressfreien Aufenthalt
an der frischen Luft. Man kann oftmals die Uhr danach stellen, wann gespielt
wird, wann gedöst wird, oder einfach gefressen wird. Sie lieben es, Fellpflege
zu machen, mit den Freunden über die Koppeln zu fetzen und Rennspiele zu
veranstalten. Sofern die Herde harmonisch ist, wird jeder Tag ähnlich ablaufen.
Und da ist es egal, ob es regnet, windig ist, schneit oder die Sonne scheint.
Pferde kommen ganz gut klar mit all den unterschiedlichen Witterungsbedingungen.
Wir müssen sie nur in ihrer Natur belassen. (Ausnahmen auch hier wieder ältere
oder kranke Pferde).
Wenn man bedenkt, dass so ein Tag 24 Stunden hat, wir
Menschen unter Tags eher wenig Zeit für unsere Freunde haben, sie aber doch
„nutzen“ wollen (Reiten, Turniere, Familien- bzw. Freizeitpartner….) – sind wir
es ihnen einfach schuldig, die restlichen 22-23 Stunden ein wunderbares
Pferdeleben unter Artgenossen bei artgerechter Haltung an der frischen Luft,
bei angepasster Fütterung, zu gewähren. Pferde sind gesellige, neugierige,
aufgeweckte Tiere. Eine Partnerschaft mit dem Pferd lohnt sich immer – sie
sollte jedoch nicht einseitig sein.
Ich maße mir nicht an, all dies unseren Pferden im Stall
bieten zu können, ganz im Gegenteil würde ich gerne noch mehr Fläche zur
Verfügung haben und noch mehr Trails und Tracks anbieten können. Genügend
Weidefläche / Paddockfläche mit entsprechenden Unterständen usw. sind auch
oftmals mit großen Kosten verbunden. Wir sind also ganz schön gefordert.
Und zu diesem Thema frage ich mich: was würde mein Großvater
wohl von all dem halten? Ich sehe ihn in Gedanken vor mir sitzen, liebevoll
schmunzelnd, in seiner gewohnt ruhigen, geduldigen Art würde er mir erklären: „Mädel, ein Pferd als
Hobby oder für den Sport gab es zu unserer Zeit nicht. Manchmal ist die
benachbarte Geschäftsfrau, eine elegante und vornehme Erscheinung, mit unseren
Pferden ausreiten gegangen. Manchmal auch der Knecht aus Litauen, der wirklich
sehr gut reiten konnte und Pferdeverstand hatte. Da konnte man es ahnen, wie
schön diese Pferde auch unterm Sattel sich bewegen können und wie
arbeitsfreudig sie sind. Aber was artgerechte Haltung und Fütterung in der
heutigen, modernen Zeit, für Freizeitpferde, bedeutet, kann ich dir beim besten Willen nicht
beantworten.“